Fetischismus

  • Fetischismus oder Fetisch (von lateinisch facticius ‚nachgemacht, künstlich‘; französisch fétiche ‚Zauber[mittel]‘) bezeichnet:

    die Verehrung bestimmter Gegenstände im Glauben an übernatürliche Eigenschaften
    eine Form der Sexualität, die sich auf bestimmte Gegenstände oder Körperteile richtet
    im Marxismus die Verkehrung eines gesellschaftlichen Verhältnisses von Menschen in ein Verhältnis von Waren
    Sexueller Fetischismus ist die übersteigerte Zuneigung zu einzelnen Körperteilen, Körpereigenheiten, Kleidungsstücken, Utensilien, Materialien, Situationen, bei der ein Gegenstand, der sogenannte Fetisch, als Stimulus der sexuellen Erregung und Befriedigung dient.

    Der erotische Fetischismus erwächst aus der Aufmerksamkeit, die einem bestimmten, vom Individuum lustvoll aufgeladenen Gegenstand zugestanden wird. Diese Beachtung wird lt. Knoll und Jaeckel durch eine Art Augenjagd wirksam, bei der der Interessent bestrebt ist, Beute zu machen. Dies geschieht durch den erotischen Anblick, einer „besonderen Ausdrucksform des Voyeurismus“. Augenjäger schaffen sich, um ihrer erotische Fixierung Wirksamkeit zu verschaffen, eine Art Jagdgebiet. Dies kann ein Schaufenster mit erotisch konnotierten Utensilien sein, es kann sich um das Betrachten bildlicher Darstellungen in Druck- oder Digitalform handeln. Auch zählt dazu der Besuch bestimmter Events, bei denen Personen auftreten, die den erotisch begehrten Gegenstand am Körper tragen oder es kann die rein zufällige Begegnung auf der Straße sein, bei der die erotischen Schaureize vorfunden werden, die der Disposition des Fetischisten für ein begehrtes Utensil entsprechen. So fallen im Alltag Stiefel-Liebhaber durch ihre Blickweise auf, die „erst den Fuß, dann die Person“ ins Visier nehmen. Auf diese Weise wird die Erregung generiert, derer der Fetischist bedarf. Jeder Fetisch ist im Grunde ein Ersatz – für die lebendige Partnerin oder den Partner, für die ganze Person.

    Freud betont den Aspekt des Fetischs, der zwar zum Sexualpartner in Beziehung steht, gleichzeitig aber „völlig ungeeignet ist, dem normalen Sexualziel zu dienen.“ Der Reiz des begehrten Utensils kann aus der Verhüllung des genitalen Bereichs erwachsen oder den engen Kontakt zum Körper repräsentieren, aber genauso gut kann er auch weitab vom genitalen Bereich liegen. Der Ersatzcharakter des Fetischs führt dazu, dass vom Ausübenden immer neue Exemplare gesucht werden; er legt sich einen fetischistischen an, in dem ein bestimmtes Fetisch-Exemplar jeweils seine besondere Gunst genießt, um sie nach einiger Zeit zu verlieren und irgendwann auch neu zu gewinnen; Stekel spricht von einem Haremskult, der jedem Fetischisten zu eigen sei.

    Manche Fetischisten benötigen, um erregt zu werden die Gewissheit, dass ihre präferierten Gegenstände tatsächlich getragen worden sind. Dies können z. B. Hemden, Strümpfe, Wäsche sein, die dann vielleicht von einer Wäscheleine gestohlen werden (Fetisch-Raub als lustvoll erlebter Akt der Aneignung). Der Erwerb oder in die Inbesitznahme des Fetischs wird von Betroffenen als „Akt der Weihe“, gleichsam als „feierlich vollzogene Zeremonie“ beschrieben.

    Fetische-Gegenstände können lt. Knoll und Jaeckel gleichsam in den Rang von Geschlechtspartnern aufrücken, die jederzeit verfügbar gehalten werden, um zur Triebabfuhr zu dienen. Stekel hebt hervor: „Es gibt keinen Fetischismus ohne Onanie“. Manche Fetischisten sind förmlich gefangen im Bannkreis ihrer Monosexualität, sie leiden unter der partnerschaftsfernen Abgeschiedenheit ihrer sexuellen Daseinsäußerung. Aus Furcht, sich gesellschaftlich lächerlich zu machen, muss der Fetisch oft geheim gehalten werden. Anderen gelingt es, ihre Neigungen offen zu zeigen und fetischistische Reize in den Dienst von Paarbeziehungen zu stellen und als Brücke zur vollen Liebe heranzuziehen. Als Beispiel lässt sich der Lebenslauf des Malers und Stiefelfetischisten Rudolf Schlichter anführen.

    Morris hebt hervor, dass der erotisch konnotierte Gegenstand für den individuellen Fetischisten von enormer Bedeutung ist, während es sein kann, dass dieser gleichzeitig von der großen Mehrheit der Gesellschaft als unerotisch und belanglos betrachtet wird. Knoll und Jaeckel betonen in diesem Zusammenhang, dass nicht der Fetisch an sich zähle, sondern der Glaube an ihn. Dies zeige sich daran, wie sexualfern manche Fetische seien. Die Faszination der Fetische könne manchmal so groß sein, dass ihnen durch die Genusssuchenden eine geradezu religiöse Verehrung zuteil werde. Auffällig sei lt. Morris, dass jeder Fetischist seine eigene Spezialität habe, was die Fetischisten auch untereinander isolieren könne. Als Beispiel nennt er Pelzhandschuhe, die für einen Stiefelfetischisten ebenso wenig Bedeutung hätten wie für einen Nichtfetischisten.


    1 Fetische

    Prinzipiell kann jeder Gegenstand zum Fetisch werden, hiervon ausgenommen sind Objekte, die schon von vornherein als Sexspielzeug für den Gebrauch beim Sexualakt bestimmt sind, beispielsweise Dildos oder Vibratoren. Manche Kleidungsstücke haben in ihrer Ausrichtung bereits eine erotische Komponente, Beispiele hierzu sind Reizwäsche oder Schamkapsel. Inwiefern diese dann als Fetischobjekt oder allgemein erotisierend wirken, ist schwer abzugrenzen. Eine getragene Unterhose des Partners, deren Geruch zur sexuellen Erregung bei der Masturbation dient, ist durch ihren Bezug zu der Person (pars pro toto) nicht zwangsläufig als fetischistisches Objekt zu verstehen, während dies für ungetragene oder selbst getragene Wäschestücke durchaus gelten kann.

    Manche Forscher kategorisieren Fetische danach, ob sie aufgrund ihrer Form (form fetish) oder ihres Materials (media fetish) ansprechend wirken. Mehrfach-Fetische sind nicht ungewöhnlich. Nur wenn ein Gegenstand die vom Fetischisten bevorzugte äußere Erscheinung hat oder aus seinem bevorzugten Material gefertigt ist, wirkt er tatsächlich als Fetisch. So wirken beispielsweise auf manche Fetischisten nur weiße Tennissocken erotisierend, während sich andere nur von grauen Kniestrümpfen sexuell angesprochen fühlen.

    Ebenso sind verschiedene Materialien besonders häufig für Fetischisten interessant, als Beispiel dient hier Leder. Dies kann über den Geruchssinn, über die Optik oder über die Haptik stimulierend wirken. Laut Knoll und Jaeckel kommt Leder eine hervorragende Stellung zu unter den Materialien, die eine erotische Konnotation erfahren können. Von besonderer Bedeutung seien die Assoziationen, die an das Material geheftet werden. Es erinnere kraft seiner tierischen Herkunft an die Animalität; es wirke für den Genießer wie eine zweite Haut. Zudem habe Kleidung aus Leder oft etwas mit Kampf, Sport und anderen aggressiven Handlungen zu tun. Von daher gebe es enge Verknüpfungen zu anderen Ausprägungen der Sexualität, wie dem BDSM. Der lederbezogene Fetischismus erstrecke sich außer auf Kleider, Mäntel, Wämse usw. und auf das Schuhwerk auch auf Gürtel, Lederfesseln und Peitschen. Kleidung und Utensilien aus Leder charakterisieren damit auch das Wunschbild des masochistischen Mannes, die Domina.

    Für manche Fetischisten sind alle Sinne für die Erregung notwendig, andere werden bereits durch den Anblick erregt. Einige Fetische wirken durch ihre Koppelung mit bestimmten Szenarien, es kann eine Übertragung der Eigenschaften der Umgebung auf den Gegenstand selbst stattfinden. Beispielsweise nimmt man an, dass Schuluniformen vor allem deshalb zum Fetisch werden, weil sie dem Stereotyp des jungen Schulmädchens entsprechen.

    Fetische können sich im Laufe der Zeit verändern. Dabei wird entweder der vorhandene Fetisch abgewandelt oder es kommen weitere Fetische hinzu; ein dauerhafter Rückgang des Fetischismus ohne äußere Einflüsse kommt in aller Regel nicht vor. Gelegentlich können äußere Ursachen für eine solche Änderung benannt werden, im Allgemeinen ist dies jedoch nicht der Fall.

    1.1 Verbreitete Fetische

    Die am häufigsten anzutreffenden Fetische sind Kleidungsstücke wie Schuhe (Schuhfetischismus), Strümpfe, Strumpfhosen, Unterwäsche, Schürzen, Sport- und Badebekleidung, Uniformen, Regenbekleidung (Klepper) sowie Accessoires wie Brillen und Piercings.


    Nicht selten beschränkt sich der Fetisch auf ein einziges Modell oder ein konkretes Exemplar. Entscheidend kann auch sein, ob die Kleidung getragen wurde oder wer der Vorbesitzer war. Manche Kleidungsstücke werden bestimmten Szenarien oder Rollenspielen zugeordnet, beispielsweise Windeln der Autonepiophilie. Fetische, die keine Kleidungsstücke sind, scheinen weniger verbreitet zu sein. Darunter fallen Objekte wie Militärorden, Gipsverbände, künstliche Gliedmaßen wie Prothesen oder auch Rollstühle. Außerdem können auch Rauchinstrumente wie Zigarette und Tabakspfeife sowie das Rauchen als Tätigkeit ansprechend wirken (Rauchfetischismus).

    Bei vielen Fetischisten ist das Material des Gegenstands entscheidend, in manchen Fällen ist das Material so wichtig, dass der Gegenstand austauschbar wird, solange nur das Material dasselbe bleibt; man spricht in diesem Fall auch von Materialfetischismus. Typische bevorzugte Materialien sind Stoffe wie Leder, Pelze, Wolle, Mohair, Seide, Nylon, Satin, Lycra und Kunststoffe wie PVC-beschichtete Stoffe („Lack“), Latex (Latexkleidung) und Gummi (Gummifetischismus).

    Nach DSM-IV können auch Körperteile wie zum Beispiel Füße (Fußfetischismus), Beine, Haare (Trichophilie), Pobacken, Busen, Achselhöhlen oder Ohren Fetische sein, in diesem Fall bezeichnet man die dazugehörigen Praktiken als Body worship.


    Quelle: Wikipedia

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